Donnerstag, 24. Oktober 2013

Hafen- und Infrastrukturprojekte in Hamburg




Städte wie New York, Tokio und London sind Metropolen, die den Bedeutungsverlust ihres Hafens hinnehmen mussten. Ein Schicksal, das auch Hamburg bevorstehen könnte. Die Fahrrinnenanpassung der Elbe entscheidet wesentlich über die Zukunft des Hamburger Hafens und seine Wirtschaftskraft. Bleibt Hamburg ein industrieverbundener Universalhafen mit einem Schwerpunkt auf dem Containerumschlag oder entwickeln wir uns zum Museumshafen mit Gelegenheitsverkehr? Sanierungsbedürftige Brücken, Straßen und Wasserwege  und mangelnde Investitionen in Infrastrukturprojekte beeinträchtigen den Abtransport von Gütern ins Umland. Es fehlen Milliardenbeträge.


Vortrag und Diskussion fanden im Hamburger Hafen-Klub zum Thema „Hafeninfrastruktur und Verkehr in Hamburg: Projekte und Finanzierungswege. Die Herausforderungen des Hamburger Hafens“ statt. Moderiert wurde der Abend von Matthias Soyka, Chefredakteur der Stadt Land Hafen.

Die Hansestadt kooperiert zu wenig mit dem Umland, kritisiert Ian K. Karan, Senator für Wirtschaft und Arbeit a.D. Doch seine eigentliche Sorge gilt der Elbvertiefung. Eine rechtzeitige Einbeziehung der Umweltverbände hätte die Klage gegen die Fahrinnenanpassung womöglich verhindern können. Karan befürchtet weitere Verzögerungen des Klagverfahrens. Im Mai 2013 hat das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren zur Weservertiefung dem EuGH vorgelegt. Blüht der Elbvertiefung nun dasselbe? Wird nicht, wie ursprünglich vermutet, im Mai 2014 ein Urteil in Leipzig fallen? Die Zeit drängt. 14.000 TEU Schiffe mit einer Breite von rund 52 Metern können den Hamburger Hafen noch anlaufen. Doch die sich im Bau befindlichen 18.000 TEU Containerriesen mit einer Breite von circa 59 Metern bringen neue Probleme mit sich. Bis jetzt ist auf der Elbe Platz für Begegnungsverkehr von rund 90 Metern, erläutert Karan. Dies entspricht in etwa einem Abstand von zwei aneinander vorbeifahrenden 10.000 TEU Schiffen. Ohne Verbreiterung der Elbe wird der Linienverkehr massiv beeinträchtigt und letztendlich abnehmen. Interessant wird die Lage, wenn die Kartellämter über den Zusammenschluss der drei größten Reedereien entschieden haben. Schon im zweiten Quartal 2014 will die „Star-Alliance“ P3 der größten Containerschiffbetreiber Moller-Maersk, MSC und CMA CGM ihre Geschäfte aufnehmen. Eine Entscheidung, die auch für Hamburg Auswirkungen haben kann.

Ungeklärt ist nach wie vor die Frage der Infrastrukturfinanzierung. 7,2 Milliarden Euro jährlicher  für die Instandsetzung der Straßen über einen Zeitraum von mindestens 15 Jahren hat die Daehre-Kommission kalkuliert, so Dr.-Ing. Andreas Kossak, Berater der Pällmann- und Daehre-Kommission. Dabei besteht Konsens zwischen Bund und Ländern, dass diese Summe bestenfalls für Sanierungs- und Bestandserhalt ausreichend ist. Woher soll das Geld kommen? Kossak greift die Idee der intelligenten Nutzungsgebührensysteme auf. So hat der Hafen Los Angeles Long Beach in etwa dasselbe Umschlagsvolumen wie der Hamburger Hafen  und einen konzentrierten Verkehr zu bestimmten Zeiten. Der Hafen erhebt Gebühren für Ein- und Ausfahrt von Schiffen nach Zeitfenstern. Kostenpflichtig sind insbesondere die Spitzenzeiten. Ein Ansatz für den Wochenendhafen Hamburg, der Nutzerfinanzierung bereits ausgeschlossen hat? Des Weiteren kritisiert Kossak die ideologische Ablehnung von Public-Private-Partnerships als Finanzierungssystem für Infrastrukturprojekte. In Deutschland denkt der Staat, er könne alles besser. Dabei haben sich öffentlich-private Kooperationen längst als effizienter erwiesen.
Investitionsbedarf

Auch Dr. Thomas-Sönke Kluth, Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft und wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion stellt die Frage nach der Zukunft des Hafens. Die HHLA-Milliarde ist spätestens 2014 verbraucht oder verplant. Das Konzept Hafen finanziert Hafen ist gescheitert. Was folgt stattdessen? Haushaltsfinanziert plant die Stadt 100 Millionen ein, 20 Millionen kommen vom Bund. Die HPA legte 2011 einen Projekt- und Investitionsplan bis 2020 vor. 850 Millionen Euro für den Hafen, Kostensteigerungen vernachlässigt. Anfragen an den Senat ergaben erhebliche Kostensteigerungen: Die Kosten liegen über 300 Millionen Euro höher als geplant. Die Kosten für die wichtigsten Infrastruktur-und Verkehrsvorhaben im Hafen liegen damit bei  über 1,8 Milliarden Euro bis 2020. Die Hafenfinanzierung ist die Blackbox des Hamburger Senats, sagt Dr. Kluth. Die Strategie „Finanzierung durch Streckung“ ist jedenfalls keine Lösung – denn sämtliche Projekte, wie die Westerweiterung, sind für Wettbewerbsfähigkeit und Hinterlandanbindung von großer Bedeutung.

Auf die hohe Bedeutung der Infrastruktur als Standortfaktor verweist auch Dr. Jan Wedemeier, Researcher am HWWI in Bremen. Verlässlichkeit und Planbarkeit sind für Produktions- und Fertigungsketten unerlässlich. Die Erreichbarkeit eines Standorts per LKW und Schiene ist dabei wettbewerbsentscheidend. Wedemeier prognostiziert: Die Y-Trasse Hamburg - Bremen - Hannover wird nicht gebaut. Dabei beinhaltet die Entlastung des Personenverkehrs Anstiegspotenzial des Güterverkehrs.  Mangelnde Standards und differenzierte Technik führen schon EU-weit zu Beeinträchtigungen. So ist ein westdeutscher Güterzug bis zu 700 Meter lang, ein ostdeutscher Zug maximal 600 Meter. Es gibt keinen einheitlichen Lokführerschein, so dass beispielsweise an der polnischen Grenze der Zugführer ausgetauscht werden muss. Unterschiedliche Stromsysteme und verschiedene Spurweiten führen zu weiteren Effizienzverlusten. Eine langfristige EU-Planung „TEN-T“ soll Abhilfe schaffen. Hamburg liegt dabei im Radius von drei Kernnetzkorridoren, die sich nach Warenströmen ausrichten und an denen sich die Transeuropäische Verkehrsnetzplanung orientiert. EU finanzierter Infrastrukturausbau als Heilmittel?
 
Carsten Willms, verkehrspolitischer Sprecher der ADAC Hansa e.V. spricht die problematische Situation an, die auch seine Vorredner andeuteten. Im Bundesverkehrswegeplan kommt Norddeutschland schlecht weg. Es mangelt an Einigung und Verlässlichkeit. Jede Landesregierung will ein anderes Verkehrsnetz, setzt neue Prioritäten und stimmt sich nicht mit den Nachbarn in der Nordrange ab. Dieser Zustand ist maßgeblich für die geringe Unterstützung von Infrastrukturprojekten durch Bundesmittel.  Willms spricht die wichtigsten Autobahnprojekte an.  Verlängerung der A20 bis zur A23, die Warnequerung, Weiterbau der A26 bis zur B73 und Anschluss an die A1, Verbindung von A1 und A7. Die Realisierung der Nordvariante der Hafenquerspange hätte die Willy-Brandt-Straße entlastet. Stattdessen soll die Südvariante ab 2019 realisiert werden. Das Projekt achtspuriger Ausbau der A7 und Deckelung mit sechsstreifigem Ausbau nach Bordesholm soll bis 2023 fertiggestellt werden, der südliche Elbtunnel soll bis 2018 realisiert sein. Die Frage lautet „Stau oder Dauerstau“, denn Hamburg verfügt nicht über eine Umrundungsautobahn wie Berlin, sondern ist von Autobahnbauarbeiten maßgeblich betroffen.

Dem Hafenentwicklungsplan fehlt die Vision. Doch neue Finanzierungswege verlangen neue Denkansätze. Wenn Gebührensysteme wegfallen, weil der Hamburger Hafen ohnehin schon ein teurer Hafen ist, und ein Anstieg von Bundes- und EU-Mitteln schwer zu erkämpfen ist, müssen wir in Norddeutschen Dimensionen denken und Vergleiche heranziehen. 70% des Flughafens werden durch Non-Aviation-Activities finanziert. Flughafen finanziert Flughafen also doch ein Ansatz, der auf den Hafen übertragbar wäre? Ist die Ansiedlung  transportaffiner Industrien in Hafennähe, wie das Mercedes Benz Werk am Bremer Hafen, die Lösung? Oder bedarf es strikt einer Neuformierung der hochdefizitären Hamburg Port Authority?

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